Am Freitag, dem 14. August 1992, wurde ich im Alter von 17 Jahren Opfer einer (gefährlichen) Körperverletzung. Der “Täter” war nur wenige Monate Elter als ich und hat meinen Bruder, einen gemeinsamen Freund und mich grundlos angegriffen. Während unser Freund und mein Bruder verhältnismäßig leichte Verletzungen davon trugen, wurde ich mit Schädel-Hirn-Trauma, dessen Folge eine Gedächtnisstörung war (retrograde und anterograde Amnesie), ins Krankenhaus eingeliefert. Der Täter wurde wenige Stunden nach dem Vorfall gefasst. Elf Monate später musste er sich vor dem Jugendschöffengericht verantworten.
Beschäftigung mit dem Vorfall
Der Vorfall und seine Folgen haben viele Fragen aufgeworfen, die mich mal mehr, mal weniger beschäftigt haben. Dreißig Jahre später führten einige Gespräche dazu, dass ich mich noch einmal tiefgehender damit beschäftigt habe. Ich wusste zunächst nicht, worauf es hinauslaufen würde. Ich habe mich intensiv mit meinem Bruder ausgetauscht, der alles miterlebt und anders als ich eine Erinnerung daran hat. Ich habe alte Unterlagen gelesen und die Staatsanwaltschaft sowie das behandelnde Krankenhaus gebeten, mir eventuell noch vorhandene Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Inhalte und Fragen
Ich habe mich mit unterschiedlichen Facetten des Vorfalls und seiner Fragen beschäftigt:
- Was ist genau passiert?
- Wie arbeitet das Gedächtnis?
- Warum war mein Gedächtnis gestört?
- Was waren/sind die medizinischen Folgen des Vorfalls?
- Was waren/sind die psychischen Folgen des Vorfalls?
- Wie hat das Gericht den Vorfall bewertet? Sind das Urteil uns seine Begründung nachvollziehbar?
- Inwieweit hat der Vorfall mich, genauer gesagt meine Persönlichkeit verändert?
- Gibt es größere Fragen, die aus dem Vorfall hervorgehen?
- uva.
Ergebnis der Aufarbeitung
Für mich war die Aufarbeitung sehr spannend, in Teilen aber auch belastend. Am Ende ist ein Buch daraus geworden. Ich habe zunächst über eine kleine Privatauflage für die Familie und enge Freunde nachgedacht, mich nun aber für eine Veröffentlichung unter dem Titel Ohne Bewusstsein. Die Geschichte einer Körperverletzung. entschieden. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass es mir nicht auch um Anerkennung meiner Erfahrungen geht. Es spielt aber noch etwas anderes eine Rolle: Aufarbeitungen können nicht nur für Betroffene, sondern auch für Fremde hilfreich sein. Zum einen zeigen Aufarbeitungen methodische Möglichkeiten auf, zum anderen dient jede “Geschichte” als Spiegel für eigene Fragestellungen. In dieser Hinsicht hoffe ich, dass mein Buch auch für andere interessant und in bescheidenem Rahmen vielleicht sogar hilfreich ist.